Montag, 5. Juni 2017

Ausschnitt aus April

April:
Der April war ein gemischter Monat. Nachdenklich aber voll mit schönen Ereignissen.
Das Wetter war schon richtig warm und heiß, was für mich schon 80% meiner Stimmungslage ausmacht. Der Start war zwar etwas trubelig und voll und ich hatte das Gefühl eine Pause von der Gruppe würde nicht schaden aber im gesamten lief es recht gut. Die Arbeit lief gut und auch das Gruppenleben machte keine großen Probleme und war einfach, aber das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich emotional nicht so involviert bin wie mit der alten Gruppe. Ich hatte dann aber zwei sehr intensive, gefüllte Wochen um Pessach rum, die unglaublich schön waren. Ich habe mich viel mit den Leuten aus Harduf getroffen, war mit meiner Gruppe in den Golans wandern und war mit einigen Leuten auf einem großen Konzert in der Nähe von Tel-Aviv. Die Kinder in der Schule haben mir sogar Zeichnungen gebastelt, weil ich dann erst mal endlich 8 Tage Pessach und Passoverferien hatte, was sehr süß war, da ich wirklich gemerkt habe, dass ich als ein Part der Schule angekommen und angenommen bin und wurde. Ich bin dann zwei Tage zum toten Meer über die 90' an Jericho vorbei gefahren. Eine unglaublich schöne Route, an der man miterleben kann, wie grüner Wald in trockene Gegend umschlägt bis hin zur Wüste und staubigen Felsen.
Das tote Meer ist ja ein Wunder für sich und definitiv der richtige Ort seine Seele baumeln zu lassen. Der Boden ist voller Salzstücke an denen man sich schnell schneidet wenn man nicht aufpasst. Ich habe ein paar davon mitgenommen die abgewaschen aussehen wie Kristallstücke.

(Totes Meer im Morgengrauen, 7.April 2017)

Sand, Bäume, Feuer, Zelt, Skorpione, Mond und Sterne und schwere Gedanken. So ruhig und zufrieden und gemütlich wie lange nicht mehr. Der Wind rauscht. Direkt durch mich hindurch und lässt kein Platz für Dunkelheit. Fortgefegt und ausgekehrt. Schwimmen und auf dem Wasser liegen in dem salzigen Wasser und Körper mit Schlamm und Sand bedecken. Rieche das Salz auf meiner Haut und lasse mich für einen Moment davon einlullen. Friedvoll im Gleichgewicht.

Ich hatte vorgehabt meine Ferien in Ägypten auf der Sinai Halbinsel mit Omer, einem israelischen Freiwilligen zu verbringen und ich hatte schon den Monat davor mich um den ganzen Visum Kram gekümmert, doch nachdem dort die beiden Anschläge auf Christen stattgefunden haben und Politik nun mal Politik ist und Israel es nicht gerne hat, wenn Israeli an Pessach und Passover zum Sinai fahren, hat die IDF kurzerhand die Grenze geschlossen während wir auf dem Weg im Auto saßen.
Alle anderen außer mir waren wahrscheinlich froh drüber...

Stattdessen hatte ich eine wundervolle Woche mit Omer und noch zwei anderen deutschen Freiwilligen in Israel. Wir sind an den unterschiedlichsten Plätzen und Orten gewesen und haben eine Menge an netten Menschen getroffen. Auf dem Weg zu Omer's Kibbutz „Hazor“ haben wir in Neve Shalom (Oase des Friedens) Freunde besucht. Neve Shalom ist ein kleines Städtchen was sich Auszeichnet in dem dort Gleichviel Juden wie Araber wohnen und wirklich an Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit gearbeitet und Wert darauf gelegt wird. Wir waren kurz in dem Haus der Stille, einer moderne Grotte in der wir uns noch ewig aufgehalten und gesungen haben und sind dann noch zu dem Kloster gegangen, welches unweit von dem Städtchen entfernt liegt. Und wieder einmal haben mich die Israeli mit ihrer Beobachtungsgabe überrascht. Denn ich wurde in dem kleinen Weinladen plötzlich auf mein Tattoo angesprochen und ob meine Augen denn nicht auch lächeln könnten. Ich kam dann mit einem geschenkten Wein wieder hinaus...

Pessach am 10.4 in Hazor war bis jetzt eines meiner Lieblingsfeiertage und Feste der Juden. An Pessach wird der Auszug der Juden aus Ägypten gefeiert und zwar mit großer Nacherzählung und Gesang und Schauspiel und allem möglichen. Zudem war der Abend meine erste richtige Kibbuzim Feier, was definitiv etwas sehr schönes und wertvolles war. Ich habe es genossen mit dem Kibbutz zusammen in der Essenshalle zu sitzen und deren Riten und Traditionen mitzumachen. Zur Pessach-zeit wird z.B. nichts gesäuertes gegessen. Es ist in den Tagen fast unmöglich in nicht arabischen Läden normales Brot zu kaufen und jeder isst Matze (Matza), was wirklich nach nichts schmeckt, ich aber aus Deutschland kenne und sogar gerne esse.

Wir sind am nächsten Tag dann runter an Ashdodd vorbei nach Nitzan an den Strand gefahren und haben dort den Tag verbracht bis wir dann Abends zum Rainbow Gathering weiter gefahren sind. Auch ein sehr interessantes Event, von dem ich vorher noch nie gehört hatte, was es aber auf der ganzen Welt gibt und in Israel doch auch sehr bekannt ist. Die Regenbogen-Treffen finden immer an den abgelegensten Orten statt unter freiem Himmel und sind eine Art spirituelle-Hippie-Öko Kommune mit allen Möglichen Workshops und zum Teil abstrakten Ansichten, aber konzentriert auf Naturverbundenheit und Frieden. Wie haben eine Menge an schöner Musik gemacht und nette Menschen getroffen und haben dann bei einer Freundin im Kibbutz Kfar Aza geschlafen, ein Kibbutz nicht mehr als 5 km vom Gazastreifen entfernt. Die Zäune waren doppelt so hoch und Gaza konnte man natürlich sehen. Aber diese Nacht war es ruhig. Ausnahmsweise...

Am nächsten Tag ging es nach Be'er Sheva, der Wüstenhauptstadt. Eine graue, öde und triste große Stadt, die an sich nichts wirkliches schönes hat. Und von dort aus nach Sde Boker und Midreshet Ben Gurion und weiter in die Wüste zum Mitzpe Ramon, einem kleinen schönen Städtchen mit viel Kunst und dem „berühmten“ Krater. Wir sind dort zur Ein Akev Quelle gewandert und haben die Zeit genossen. 

(Ein Akev, Negev, 14.4.2017)
 
Auf dem Rückweg nach Harduf haben wir noch eine Nacht am Strand von Hadera verbracht am Ostersonntag, wo wir ,Uri, einen Freund von Omer besucht haben. Und mal wieder wurde mir bewiesen, dass Harduf Biografiearbeit sehr ernst nimmt, denn in dieser Nacht saß ich sehr lange am Feuer nachdem ich Uri von den Biografiearbeiten erzählt habe und er mir darauf hin kurzerhand sein gesamtes Leben erzählt hat. Schon jetzt bekommt jede Lebensgeschichte einen besonderen Platz in meiner Welt. Ich hab kein Ostern gefeiert, nicht mal ansatzweise, aber ich habe ein weiteres Leben, eine weitere Persönlichkeit gesammelt und das ist genug gewesen.
Ich hab die Tage danach noch auf kleinen Festivals verbracht und mit den unterschiedlichsten Menschen verbracht und auch wieder selber angefangen an meiner Biografie zu arbeiten, weil ich sie irgendwann im Juni nochmal erzählen muss.
Wir hatten noch drei (Feier-) Tage im April/Mai, welche sehr bedeutend für Israel sind. „Yom HaShoa“ der Holocaust Gedenktag, „Yom HaZikaron“ der Nationaler Gedenktag und „Yom HaAtzmaut“ der Unabhängigkeitstag Israels. Der Holocaust Gedenktag war dieses Jahr am 24.4. Wir sind an dem Tag nach Jerusalem gefahren und ins Yad Vashem gegangen, dem Holocaust Museum. Dort werden 6 Fackeln zum Gedenken an die 6 Millionen jüdischen Opfer des Holocaust angezündet und um 10:00 heulen die Sirenen im ganzen Land für 1-2 Minuten. Wir waren gerade auf der Autobahn und es war schon erstaunlich zu sehen, wie plötzlich die Autos anhielten die Menschen aussteigen und alles für diese kurze Zeit schweigend stillsteht. Selbst Radio und Fernsehsender verzichten an dem Tag auf Unterhaltungsmusik und -programme. Im Yad Vashem haben wir über die unterschiedlichen Dilemma des Holocaust geredet und verschiedene Geschichten betrachtet. Ich hätte selber von mir erwartet mich als Deutsche schuldig und unwohl zu fühlen, das war aber kein einziges mal der Fall. Auch die Zeremonie in Beit Elisha war wunderschön gestaltet mit Musik und kleinen Vorträgen und einem Berg voller Kerzen.
Aber die Krönung im April war definitiv die arabisch Hochzeit, auf der ich eingeladen war. Denn das war nicht nur meine erste arabische Hochzeit, sondern auch meine generelle erste und einzige Hochzeit überhaupt auf der ich war. Laut, lustig und eine Menge an gutem Essen. Nicht mal der Gedanke, ob die Frau ihren Mann selber ausgesucht hat oder nicht konnte die schöne Stimmung kaputt machen oder meinen Wohlfühlfaktor beeinflussen.

Wie man schon bemerkt, habe ich die letzten beiden Monate eine Vielzahl an unterschiedlichen Gruppen und Menschen kennen lernen dürfen. Ein großes Geschenk, solch ein differenziertes Bild von Israel zu bekommen, welches wahrscheinlich nicht so viele Menschen von Israel zu Gesicht bekommen. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe eine Kultur und ein Land mit solch unterschiedlichen Facetten kennen lernen zu dürfen.

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