Sonntag, 4. Juni 2017

Ausschnitt aus Februar

Ich hab einiges erlebt, einiges ist passiert und jeder Tag ist so lang und voll, sodass ich der Zeit gar nicht gerecht werden kann, wenn ich jetzt versuche die letzten Monate zusammen zu fassen. Und beim ‘zusammenfassen’ fällt mir wieder einmal auf, wie überrascht ich doch von der Intensität Israels bin. Monate und Tage könnten nicht gegensätzlicher sein. Ich wollte raus aus all der Oberflächlichkeit in Deutschland und das habe ich auch geschafft. Israel und speziell Harduf ist tiefer als alles andere. Die Menschen hier denken auf einer ganz anderen Ebene. Das macht die Stimmung zwar auch schwerer und fast jeden Israeli den ich kenne, ist als Mensch total kompliziert und schwer zu verstehen. Gute Tage sind richtig gute Tage und schlechte Tage sind richtig schlechte Tage. Aber so ist das, wenn man eine Lebensernsthaftigkeit besitzt, die in vielen Leben doch verloren gegangen ist. Ob Deutschland oder Israel jetzt die Blase ist, darüber lässt sich streiten. Definitiv aber sind es zwei Grundverschiedene Lebenswege.

Februar:
Der Februar war bis jetzt der schwierigste Monat. Aber vielleicht musste das auch einfach kommen, nach dem der Januar so gut war. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass es Winter war, selbst wenn es hier schon wieder verhältnismäßig warm war. Aber letztendlich ist es nur eine Reihe von Dingen.

Der Abschied von der alten Gruppe, mit der ich die ersten Monate zusammengelebt habe war dann doch nicht so einfach wie gedacht, was ich sehr schnell merken durfte. Und zwar nicht weil ich jeden einzelnen vermisse, sondern weil mir plötzlich bewusst geworden ist, wie sehr und schnell man sich doch an bestimmte Menschen, Dinge und Abläufe gewöhnt. Es ist halt doch einfach etwas anderes in einer Community zu leben.
Ich durfte dann aber in ein anderes “Zimmer” umziehen, welches ich mir jetzt richtig schön eingerichtet habe und den Februar und den März mit einem wunderbaren Menschen geteilt habe, der mir gezeigt hat, dass ich lieber mit ihr ein Zimmer teile, als alleine ein Zimmer zu haben. Generell bin ich jetzt an einem Punkt, wo ich Privatsphäre nicht brauche bzw. gelernt habe mir meine Zeit zu nehmen, während ich umrundet bin mit dem Leben. Jetzt brauche ich definitiv nicht mehr mein eigenes Zimmer. Das ist ein Luxus der nett sein kann, aber für mich keinen wesentlichen Stellenwert mehr hat.

Anfang Februar ist dann die neue Gruppe angekommen mit denen ich jetzt zusammen lebe und die einfach total anders ist als die letzte. Diesmal noch mehr amerikanisch aber auch mehr ausgeglichen. Das mag auch daran liegen, dass das Männer-Frauen Verhältnis diesmal stimmt und wir nicht so viele sind. Mit Michael und Jordan aus meinem alten Kohort und mir sind wir diesmal 9 Leute (5 Männer/4 Frauen), nach dem einer gegangen ist, da Harduf nicht der beste Ort für jemanden ist, der schon fast jüdisch orthodox ist.
Direkt dann ist auch Ilse Wellershoff-Schuur gekommen, die Pfarrerin aus Überlingen, die mir hier die Stelle eingerichtet hat und mit Faiz und Ya’akov der Kopf von Sha’ar laAdam ist.
Und wie jeden Monat hatten wir diesen Monat auch Feiertage und Feste. So war am 11. Februar “Tu bishevat” das Neujahrsfest der Bäume. Und steht für den Beginn der idealen Pflanzperiode und somit für das Ende des Winters. An dem Tage werden Bäume gepflanzt und Früchte gegessen (Möglichst 15 Früchte aus Israel).
Vom 12.Februar an war ich dann 5 Tage auf meinem Zwischenseminar im Norden, wo ich nicht nur endlich mal die Gelegenheit hatte die anderen 5 Deutschen, die über meine Organisation hier in Harduf sind besser kennen zu lernen, sondern auch alle anderen Freiwilligen in Israel von den “Freunden”. Das war für mich nach langer Zeit das erste mal, dass ich wieder Deutsch gesprochen habe und mit Deutschen umgeben war. Diese wenigen Tage waren richtig intensiv und wichtig, haben mich aber doch auch etwas aus der Atmosphäre von Sha’ar laAdam raus geworfen, wie ich später festgestellt habe, da ich dadurch den Anfang der Gruppenbildung in dem neuen Kohort verpasst habe.
Im Vordergrund des Seminars stand Verarbeiten, Reflektieren und das Auseinandersetzen mit sich selber. So haben wir zum Beispiel die erste Nacht jeder für sich alleine draußen verbracht und ich habe festgestellt, dass es in den Golans wilde Wölfe gibt die gerne mal neben einem auftauchen und einem erst mal einen Schrecken einjagen. Die Reflektionsarbeit war so intensiv, dass ich am Ende meiner Arbeitsgruppe meine Biografie erzählt habe. Was für mich der Beweis ist, dass der Wald definitiv etwas mit mir macht. Ich bin sonst eher der Typ gewesen, der nicht über sich spricht. Auch den Blick nach vorne habe ich gewagt und mir erlaubt ein paar Gedanken zu dem Thema zu machen, was ich wirklich nach dem Jahr will. Was das konkret ist, lasse ich aber noch offen, bis mein Jahr rum ist.

Und dann bin ich wieder zurück gekommen und die Welt hat sich bei mir ein bisschen aufgehört zu drehen und ich bin irgendwo in mir selber hängen geblieben, obwohl die Arbeit richtig gut war und ich sogar die perfekte Arbeitswoche hatte. Sonntag - Unterrichten in der Schule, Montag - Arbeiten auf GanHabait der organischen Farm von Harduf, Dienstag - Waldarbeit, Mittwoch - Beit Elisha in den Ställen mit den Pferden und den Membern, Donnerstag - Arbeiten in Alon HaGalil, dem Garten von Sha’ar laAdam etwas entfernt von hier. Und Freitag morgens Gemüse verkaufen aus unserem Garten in Tivon.
Zudem habe ich den Workshop in Beit Elisha von Garten zu Ställe gewechselt und ich liebe es einfach nur dort zu sein. An der Arbeit ist also rundherum nichts auszusetzen.

Ein aufregender Moment war, als die Arbeiter endlich angefangen haben auf dem Fundament für das Andachtshaus den Schutzraum und somit ein Teil des Andachtshauses zu bauen. Jetzt müssen wir in einem Notfall also nicht mehr nach Harduf rennen… und das Andachtshaus wird hoffentlich irgendwann auch noch fertig.

Foto.JPG

Die neue Gruppe war/ist deutlich religiöser als die letzte, besonders als der eine, der die Gruppe jetzt verlassen hat, noch da war und wir noch versucht haben für ihn einige jüdische Regeln zu beachten und es dann manchmal schwierig für mich war mich noch wohl zu fühlen, ohne so zu wirken, als wäre ich nicht offen genug. Im Endeffekt kenne ich die Lieder an Shabbat besser als den Rest meiner Gruppe, also muss ich mir darum wohl eher keine Gedanken machen.

Aber im gesamten war der Monat sehr wichtig. Ich lerne die gute, frische Seite der Anthroposophie kennen und finde mich in Harduf total wieder. Und könnte mir sogar vorstellen das Grundjahr der Anthroposophie in einem Punkt meines Lebens zu machen. Ich bin dankbar, dass ich auf eine Waldorfschule gehen durfte und habe realisiert, dass ich sehr wohl spirituell, religiös, anthroposophisch und ich selber in einem sein kann.
Und obwohl ich einige nicht so schöne Tage hatte, ist es gut für mich immer wieder an meine Grenzen zu kommen. Gemütlich zu werden und es mir im Leben bequem zu machen hat eh noch nie zu meiner Biografie gepasst und bis ich nicht aus meinen Fehlern lerne, ist es auch gut, dass ich diese immer wieder vom Leben vorgehalten bekomme. Ansonsten kann ich Grenzen auch nicht erweitern und verschieben. Das mag nerven, aber da ich nun mal die Realität will, nehme ich alles an was mir entgegen kommt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen