Mai:
Ende
April, Anfang Mai haben wir dann noch die anderen beiden großen
Feiertage gefeiert.
Am
1.Mai war der Nationale Gedenktag. Also der Gedenktag an die gefallen
israelischen Soldaten und Opfer des Terrors. Der Gedenktag beginnt
wie jeder Feiertag am Abend zuvor und wird wie auch schon der
Holocaust Gedenktag mit den Sirenen eingeläutet. Am Morgen folgten
dann um 11:00 die Sirenen für zwei Minuten nochmal. Für mich war
dieser Tag viel intensiver als der Holocaust-Tag. Wir waren wieder in
Beit Elisha zu einer Zeremonie eingeladen, welche wieder wunderschön
gestaltet war und wieder einmal ist mir bewusst geworden dass unter
dieser fröhlichen, tiefen Schicht der Israeli, eine Seite voller
Trauer steckt. So gut wie jeder in diesem Land hat jemanden verloren,
den er kannte und jeden Tag kommen Opfer dazu. Von den meisten
Menschen habe ich jetzt schon gehört, dass immer wenn etwas passiert
jeder hofft die Person nicht zu kennen und wenn dann der Name des
Kibbutz oder des Ortes rauskommt aus dem das Opfer stammt, eine hohe
Chance besteht, dass sie diesen Menschen doch gekannt haben. Israel
und auch Palästina ist ein kleines Land und die Menschen kennen sich
hier.
Schauen
wir uns nur mal die letzten paar Tage mit Beispielen an um es zu
verdeutlichen.
30.Mai 2017– Ein Israeli fährt mit seinem Auto durch ein Protest von
Palästinenser. Es wird hektisch. Demonstranten wenden sich gegen das
Auto. Der Israeli erschießt einen Demonstranten und verletzt einen
weiteren.
31.
Mai 2017– Eine Frau wird in Tel-Aviv in einer Schießerei erschossen
ein anderer verletzt.
2.
Juni 2017– Ein 15 Jähriges Palästinensisches Mädchen versucht auf
einen Soldaten einzustechen, sie wird sofort angeschossen. Filme
zeigen wie die Soldaten sie beleidigen während sie blutend und
weinend daliegt. Das Mädchen stirbt.
Dazu
kommen noch die Stromausfälle in Gaza, Hungerstreiks und all die
Vorfälle an den Grenzen und in Syrien von israelischer Seite. Klar,
dies sind „kleine Vorkommnisse“ . Aber sie passieren jeden Tag
und zwar nur wegen dem Konflikt und es gibt bestimmt mehr von denen
ich gar nichts weiß. Hier im Norden und mit der israelischen Presse
ist es einfach zu vergessen, das Israel im Krieg und tief zerüttelt
ist.
Ein
Grund wieso der Unabhängigkeitstag also direkt nach dem nationalen
Gedenktag stattfindet,ist, um die Menschen daran zu erinnern, welcher
Preis für die Unabhängigkeit gezahlt werden musste.
Am
8.Mai bin ich dann mit den anderen deutschen Freiwilligen von Beit
Elisha nach Jerusalem gefahren da unser Bundespräsident Steinmeier
zu Besuch in Israel war und eine Veranstaltung für alle deutschen
Freiwilligen Helfer oder Berufe organisiert hat. Ich hab mich
plötzlich wieder wie in Deutschland gefühlt. Um mich herum all die
schick gekleideten Leute, Diplomaten, Freiwillige und ich als
Waldmensch zwischendrin. Mir ist nicht mal in den Sinn gekommen mich
aufzustylen nach westlicher Art und so gab es doch einige Blicke für
uns deutschen aus Harduf mit unseren bunten, freien
anthroposophischen Stil. „Im Herzen sehen wir doch alle so aus.“
Ich
glaube mir ist jetzt noch mal bewusster geworden, was mein Status als
Deutsche ist und wie viele Privilegien ich doch genieße.
Ein
weiteres Thema war wieder Musik für mich im Mai. Ich hab wieder viel
improvisiert und mein Cello wieder unglaublich vermisst. Jetzt ist es
aber auch wieder so warm (um die 30Grad), sodass die Abende anfangen,
wo man am Feuer sitzt und musiziert.
Auch
haben wir jetzt mit den Biografiearbeiten in dieser Gruppe
angefangen, also wird auch das in der nächsten Zeit etwas sein, was
mich beschäftigen wird.
Auch
habe ich dann den Schritt gemacht ein bisschen mehr Kontakt wieder
nach Hause zu haben, nachdem mir meine Schwester eine etwas
verzweifelte Nachricht geschickt hat. Es ist eben manchmal doch nicht
die einfachste Situation die einzige zu Hause zu sein, nachdem
Raffael und ich uns etwas davon geschlichen haben in allen Bereichen.
Schon gar nicht wenn jemand im Moment seine Krankheit bekämpfen muss
und dann eben doch alles drunter und drüber geht und die Energie
schwer haltbar ist. Und so gerne ich nicht in all das und Deutschland
involviert sein will, kann man vor seiner Rolle nur eine bestimmte
Zeit die Augen verschließen oder weglaufen.
Die
letzten beiden Wochen waren jetzt auch nochmal richtig schön, denn
eine Menge an Theaterstücken und Werken wurden erarbeitet und
gezeigt.
Die
Leute aus dem Grundjahr der Anthroposophie (26 junge Menschen) haben
drei Wochen hier im Wald verbracht und beide Teile von Jim Knopf als
Theaterstück eingeübt, welches sie dann auch 4 Tage lang gezeigt
haben. Ein 5 Stunden langes Stück mit einem gigantischen Bühnenbild.
Den Mai über war der Wald also mal richtig belebt und ich habe es
genossen so viele nette Leute hier zu haben.
Auch
meine Gruppe ist intensiver ans Theaterproben gegangen und wir haben
fleißig an unserem Stück Pu der Bär geprobt. Auch Beit Elisha hat
mit den Freiwilligen und den Membern ein Märchen als Theaterstück
eingeprobt und aufgeführt, was unglaublich schön geworden ist.
Zudem kamen an dem einen Wochenende auch alle Eltern der Member und
es gab ein großes Fest nach der Aufführung.
Sehr
schön war es, als Carola und Ulf, Hanna's Patentante letzte Woche in
Harduf waren und mir nicht nur meinen Laptop mitgebracht hat, sondern
ich auch ein wenig Zeit mit ihr verbringen konnte und ich ihr
erzählen konnte wie es mir hier so ergeht.
Am
30. Mai haben wir dann den Wald schön geschmückt für unser großes
Shavuot Festival und sind am Abend nach GanHabait gegangen, der
organischen Farm von Harduf. Was einfach auch richtig schön war,
denn so gut wie ganz Harduf war dort und mir
ist dann aufgefallen, dass ich mir hier doch richtig etwas aufgebaut
habe und ich Freundschaften von den verschiedensten Kreisen habe. Von
den Leuten aus meiner Gruppe, den Waldleuten, den Freiwilligen aus
Deutschland und Israel zu den Leuten die das Grundjahr der
Anthroposophie machen oder auch Speech und Drama studieren oder auch
einfach Leute aus Harduf, die man nach der Zeit einfach kennen lernt.
Und wenn man dann den Moment erreicht, wo man auf einer Veranstaltung
ist und jeden Meter stehen bleibt, weil man jemanden begrüßt den
man kennt, dann fühlt sich das mehr als zu Hause an. Ich
bin
also wie immer erfüllt von all den kleinen Begegnungen und Momenten,
die ich sehr nah an meinem Herz trage und für mich so kostbar sind.
(Meine
Gruppe in GanHabait: v.li.n.r.:Joe, Leah, Michael, Ryan, Ich, Jordan,
Carly, Mai und Ross)
Am
31.Mai haben wir dann unser großes Shavuot Festival hier im Wald
gehabt. An Shavuot erinnert man sich an den Empfang der 10 Gebote,
zudem ist es im Prinzip auch ein Erntedankfest und das christliche
Pfingsten. Wir haben einige Kunstworkshops gehabt und unser
Theaterstück aufgeführt. Zudem hat die Koexistenz Theatergruppe und
das erste Jahr Speech und Drama auch ihre Stücke aufgeführt. Am
Ende gab es noch eine Friedensdiskussion, in welcher ein
Palästinenser unter anderem von seinem Leben erzählt hat, was wie
immer sehr beeindruckend war.
Wie
auch in Deutschland hat am 27.Mai der Ramadan angefangen und ich habe
mich jetzt entschlossen Ramadan mit zu machen. Ich hab zwar ein paar
Tage später angefangen, bin aber fest entschlossen den ganzen Monat
durch zu ziehen. Konkret heißt das: Zwischen 4:00 morgens und 20:00
(Zeiten variieren von Land zu Land) darf nichts gegessen und
getrunken werden. Und generell den Monat kein Rauchen, Sex und
Alkoholkonsum. Warum? Ich bin nach Israel gekommen um die Kulturen
hier kennen zu lernen. Ich hab eine gute Vorstellung von der
jüdischen, aber die arabische ist genauso ein Teil dieses Landes.
Manche Dinge muss man ausprobieren um sie zu verstehen, das habe ich
schon gesagt als ich die eine Woche letztes Jahr ein Kopftuch
getragen habe und Ramadan gehört auch unter diese Rubrik. Jetzt ist
die beste Zeit um Ramadan auszuprobieren und solidarisch hinter den
Muslimen hier zu stehen und meine Grenzen aus zu testen und an mir zu
arbeiten wenn ich durstig und hungrig und müde bin, weil ich Nachts
um 3:30 aufstehen muss um zu essen.
(AlonHaGalil)
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(Wald
vorbereitet für Shavuot)
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(Es
wird Sommer)
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8
Monate. Und vielleicht habe ich immer noch nicht den Grund gefunden
wieso ich hier bin, aber wenn ich nur auf die letzten Monate zurück
blicke, ergeben all die Sekunden, Minuten, Momente, Begegnungen einen
Sinn in einem Bild voller Progress und Veränderung.
Was
treibt uns an, uns fortwährend verändern zu wollen? Die Menschen um
uns herum? Die Idee ein guter Mensch sein zu wollen oder zu
müssen?
Jetzt habe ich mich entschlossen noch 6 Wochen länger
hier zu bleiben, sodass ich auch noch in der Friedensübungswoche
Anfang Oktober dabei sein kann und komme erst danach wieder zurück
nach Deutschland. Ich hab also sogar noch einiges an Zeit und
trotzdem fangen langsam meine Gedanken und Gefühle an sich zu
verändern. In dem Sinne, dass ich nach all der Zeit langsam und
vorsichtig anfange Momente und Situationen mit meinen Freunden zu
vermissen.
Und trotzdem strauchle ich etwas bei dem Gedanke an
'zurück gehen'. Was, wenn ich all das erlebte, all den Progress ,
all die kleinen spirituellen Geschenke, Schubser und Veränderungen,
die ich hier bekomme und mache, verliere und/oder nicht halten kann
wenn ich zurückkehre?
Was, wenn ich mich zu sehr oder doch zu
wenig verändert habe? In alte Muster zurückfalle, oder gesteckt
werde, weil die Leute, die denken mich seit Jahren zu kennen mir
nicht den Freiraum geben mich so zu sehen wie ich bin. (Was auch
immer das heißen mag.)
Geräusche, Geschmäcker, Menschen,
bekannte Situationen katapultieren mich zurück in alte Muster. Ich
werde wohl einfach so viel neue Sinne, Menschen und herzerwärmende
Erinnerungen sammeln wie es mir erlaubt ist, sodass die Neuen stark
und geduldig genug sind um als neue Stärke hervor zu gehen.
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(Sonnenstrahlen genißen!) |
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